
Was liest eigentlich… Dr. Markus Knappitsch?
Wie lassen sich Schwarmintelligenz und Prinzipien aus der Biologie auf Unternehmen übertragen? Dr. Markus Knappitsch gibt zum Auftakt der Reihe „Was liest eigentlich…?“ persönliche Einblicke in ein Buch, das sein Denken über Organisation, Strategie und Innovation maßgeblich geprägt hat – und zeigt, warum systembiologisches Know-how gerade für die digitale Transformation so wertvoll ist.

Das Buch
- Titel: Self-Organization in Biological Systems
- Autoren: Scott Camazine, Jean-Louis Deneubourg, Nigel R. Franks, James Sneyd, Guy Theraulaz, Eric Bonabeau
- Erscheinungsjahr: 2001
- Verlag: Princeton University Press
Warum dieses Buch?
Manchmal gibt es Bücher, die bleiben. „Self-Organization in Biological Systems“ ist so eins – für mich ein echter Klassiker. Als jemand, der sich für mathematische Biologie und Schwarmverhalten begeistert, war das Buch ein Augenöffner. Was Biologie mit Consulting zu tun hat? Mich fasziniert, wie Systeme ohne zentrale Steuerung zu komplexen Leistungen fähig sind – in der Natur, aber auch im Unternehmen. Gerade weil viele Fortschritte in KI und Digitalisierung letztlich auf biologischen Prinzipien basieren, finde ich es wichtig, den Blick immer wieder in diese Richtung zu öffnen.
Was macht das Buch besonders?
Das Buch stellt eine einfache, aber kraftvolle These in den Mittelpunkt: Komplexe, adaptive Verhaltensmuster entstehen nicht durch einen Masterplan oder zentrale Steuerung – sondern durch die Interaktion vieler einfacher Akteure auf lokaler Ebene. Das ist nicht nur faszinierend, sondern auch ein echtes Denkmodell für die Praxis. Die Autoren schaffen es, ein interdisziplinäres Framework zu entwickeln, das Biologie, Physik, Mathematik und Informatik verbindet. Besonders stark finde ich, wie anschaulich und nachvollziehbar sie Mechanismen wie lokale Interaktion, Feedback-Loops und Schwellenwerte erklären. Ameisen, Bienen, Fischschwärme oder sogar die Entwicklung von Zellstrukturen – überall zeigt sich: Ordnung entsteht aus dem Zusammenspiel, nicht aus Vorgaben von oben.
Und es mag überraschen, aber Selbstorganisation ist nicht nur effizient, sondern auch robust und anpassungsfähig. Zufall und Störungen sind kein Problem, sondern oft der Ursprung von Innovation. Das Buch motiviert, systemisch zu denken – auch abseits klassischer Hierarchien.

Was nehme ich mit – für meinen (Arbeits-)Alltag?
In unserer Beratungspraxis erleben wir ständig, wie dynamisch und unberechenbar Organisationen heute funktionieren. Klassische Top-down-Strategien kommen da schnell an ihre Grenzen, sie sind oft zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig flexibel. Das Buch liefert stattdessen ein Modell, bei dem lokale Regeln, Empowerment und emergente Prozesse im Mittelpunkt stehen. Viele kleine, selbstbestimmte Akteure können Großes bewegen – wenn der Rahmen stimmt. Ganz konkret heißt das:
- Statt 5-Jahresplänen lieber adaptive, zyklische Strategien mit Rückkopplung denken
- Nicht nur Effizienz, sondern auch Vielfalt, Redundanz und dezentrale Strukturen bewusst einbauen
- Teams und Mitarbeitende nicht steuern, sondern befähigen – Stichwort Selbstorganisation
- Systemisch intervenieren, mit kleineren Impulsen statt verordneten Umbrüchen
- Kultur als Betriebssystem denken, darauf laufen dann Regeln und Prozesse
Das alles sind Ideen, die ich aus der Systembiologie und der Lektüre dieses Buches immer wieder in meine Arbeit einbringe.
Für wen lohnt sich das Buch?
Ganz klar: Für alle, die Lust auf neue Denkmodelle haben. Wer Komplexität nicht scheut, sondern verstehen und gestalten will, wird hier fündig. Das Buch ist kein „leichter Lesestoff“, aber sehr anschaulich geschrieben und voller Beispiele aus der Biologie und Modellierungspraxis. Ein echter Fundus für Themen wie Schwarmintelligenz, Emergenz oder Innovationskultur!
Lesetipp
Ich empfehle das Buch allen, die Unternehmen nicht nur steuern, sondern verstehen und entwickeln wollen. Mein Take-away: Große Veränderungen entstehen selten durch Anweisung, sondern durch das kluge Zusammenspiel vieler kleiner Einheiten. Wer diese Dynamik gestalten will, sollte sich mit Selbstorganisation beschäftigen.
Über Dr. Markus Knappitsch
Dr. Markus Knappitsch hat 2017 als Data Scientist bei Comma Soft begonnen und verantwortet nun als Executive Manager und Prokurist das Consulting-Geschäft. In seiner Freizeit begeistert er sich für mathematische Modelle, Biologie und alles, was mit kollektiver Intelligenz zu tun hat.