
Versichern war gestern – Verstehen ist heute: Wie Daten und KI die Assekuranz neu definieren
Der Versicherer der Zukunft ist kein Verwalter von Policen, sondern Begleiter im Leben. Dr. Markus Knappitsch zeichnet nach, wie Daten und KI diesen Wandel ermöglichen.
Der blinde Fleck in der Kundenbeziehung
Was weiß ich als Versicherer – wirklich – über meine Kund:innen? Nicht über „Segmente“, sondern über diese eine konkrete Person, die heute bei mir versichert ist. Versicherung war immer Informationsgeschäft. Mit Daten und KI steigt der Anspruch an „gute Information“: weg von statischen Aggregaten, hin zu individualisiertem, kontextsensiblem Verstehen. Zukunftsfähig ist, wer nicht nur Policen verwaltet, sondern Kund:innen versteht – und proaktiv Mehrwert liefert. Für die Zukunft der Versicherungsbranche bedeutet das einen Paradigmenwechsel an der Kundenschnittstelle. Drei Mechanismen stehen dafür im Zentrum:
- Bedarfserkennung schafft Relevanz und Wachstum.
- Kommunikation prägt Kundenerlebnis und Effizienz.
- Risikosteuerung stiftet Fairness und Vertrauen.
Diese Hebel wirken nur dann in voller Stärke, wenn sie zusammengedacht werden: Bedarfserkennung ohne passende Kommunikation läuft ins Leere. Kommunikation ohne faire Risikosteuerung wirkt unglaubwürdig. Risikosteuerung ohne bedarfsgerechte Produkte bleibt abstrakt. Erst im Zusammenspiel entsteht die Differenzierungskraft, die über die Zukunftsfähigkeit von Versicherern entscheidet.
Fallbeispiel: Elena
Elena M. ist 39 Jahre alt, Projektmanagerin im Bereich erneuerbare Energien. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in Köln, ist alleinerziehend und legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Elena nutzt regelmäßig ihr E-Bike, fährt gelegentlich mit Carsharing, arbeitet mehrere Tage pro Woche im Homeoffice – und beschäftigt sich zunehmend mit der Frage, wie sie ihre Eltern im Alter absichern kann. Kürzlich ist sie in eine neue Wohnung gezogen, weil ihre alte Miete deutlich gestiegen ist.
In klassischen Datenmodellen erscheint Elena lediglich als „Single mit zwei Kindern, urbane Mittelschicht, Angestellte“. Ihre Policen sind Standard: Haftpflicht, Hausrat, Kfz-Versicherung und eine zehn Jahre alte Berufsunfähigkeitsversicherung. Doch ein datengetriebener Versicherer würde die Signale hinter diesen Fakten erkennen:
- das unversicherte, hochpreisige E-Bike,
- ihr wachsendes Interesse an Pflegeabsicherung,
- die veränderte Mobilität durch Homeoffice,
- den Umzug als Trigger für Beratung.
Darauf aufbauend könnte er proaktiv passende Angebote machen – vom nachhaltigen Mobilitätsschutz über Homeoffice-Equipment bis hin zu Beratung zur Vorsorge für Angehörige. Elena würde ihren Versicherer nicht mehr als reinen Kostenfaktor erleben, sondern als Partner in wichtigen Lebenssituationen. Für den Versicherer entstünden zusätzliche Umsatzpotenziale und vor allem eine vertrauensbasierte Kundenbeziehung.
Kommunikation auf Augenhöhe
Die richtige Art der Kommunikation entscheidet über Kundennähe und Vertrauen. Menschen wie Elena erwarten digitale, effiziente Interaktion – empathisch, verständlich, ohne Floskeln. Generative KI eröffnet hier neue Möglichkeiten. Systeme erkennen kontextuelle Trigger wie eine Adressänderung und leiten daraus Beratungsgespräche ab: „Ist Ihr neues Zuhause eigentlich schon abgesichert?“ Gleichzeitig personalisieren sie den Tonfall, sorgen für konsistente Ansprache über alle Kanäle hinweg und entlasten die Sachbearbeitung durch automatische Klassifikation oder semantisches Routing. So bekommen komplexe Fälle mehr Zeit und einfache Anliegen werden schneller gelöst. Auch das wirkt für Kund:innen vertrauensstiftend – gerade in sensiblen Momenten.
Risikobewertung: Fairness schafft Vertrauen
Risikobewertung war schon immer das Herzstück der Versicherungswirtschaft. Doch bisher profitieren Kund:innen kaum von ihrem individuellen Verhalten. Elena fährt selten Auto, lebt gesund, belastet das Gesundheitssystem kaum – trotzdem wird sie pauschal eingestuft. Mit modernen Datenmodellen und KI eröffnen sich neue Ansätze. Zum Beispiel in Form von:
- Risikobewertung in Echtzeit,
- freiwillig geteilte Mobilitäts- oder Gesundheitsdaten,
- prädiktiver Risikoabschätzung etwa beim Pflegebedarf von Angehörigen oder der Einkommenssicherung,
- aber auch dynamischen verhaltensbasierten Beitragsmodellen, etwa über Bonusmodelle, Risikofonds oder Gamification-Ansätze, die Kund:innen für gesundes oder nachhaltiges Verhalten belohnen.
Damit wird die Versicherung zum Teil digitaler Ökosysteme, integriert sich in Elenas Lebensentscheidungen und liefert proaktiv Mehrwert – sei es über präventive Services (digitale Finanzplanung, Gesundheitsangebote), KI-gestützte Mustererkennung oder Produkte, die sich dynamisch an ihre Lebensphasen anpassen. Nur wenn Versicherer ihr Selbstverständnis entsprechend anpassen, entsteht eine Assekuranz, die nicht mehr nur „eingreift, wenn etwas passiert“, sondern kontinuierlich präsent ist. Wichtig dabei: Freiwilligkeit und Transparenz sind nicht verhandelbar. Nur wenn Kund:innen selbst entscheiden, welche Daten sie teilen, und nachvollziehen können, wie diese ihr Profil beeinflussen, entsteht das nötige Vertrauen.

Transformation braucht Reifegrad
Der Wandel zur datengetriebenen Assekuranz geschieht nicht im Big Bang, sondern schrittweise und entlang klarer Entwicklungsstufen. Unser Reifegradmodell unterscheidet drei Stufen:
- Orientierung:
Am Anfang steht die Bestandsaufnahme: Welche Daten liegen vor, in welcher Qualität und in welchen Silos? Wie reif ist die Organisation im Umgang mit KI, Datenschutz und ethischen Fragen? In dieser Phase geht es weniger um umfassende Transformation, sondern um gezielte Proof-of-Concepts, die Wirkung zeigen und Vertrauen schaffen – etwa in der datenbasierten Bedarfserkennung oder in der digitalen Kommunikation. - Skalierung:
Wer erste Erfolge erzielt hat, muss den Sprung aus der Pilotfalle schaffen. Dazu gehört es, Daten zu konsolidieren, einheitliche Governance-Strukturen aufzubauen und die Vision zu schärfen. Wichtig ist, Bedarfserkennung, Kommunikation und Risikosteuerung nicht als Inseln zu begreifen, sondern zu einem integrierten Kundenverständnis zusammenzuführen. Erst durch diese Verknüpfung entsteht nachhaltige Differenzierung im Markt. - Transformation:
In der fortgeschrittenen Stufe geht es nicht mehr nur um Effizienzsteigerung, sondern um eine Neudefinition des Geschäftsmodells: Versicherung als datengetriebene, personalisierte Lebensbegleitung, eingebettet in digitale Ökosysteme. Strategisch bedeutet das, dynamische Beitragsmodelle, proaktive Services und nahtlose Integration in Alltagsentscheidungen zu etablieren. Am Ende steht der Versicherer als aktiver Partner in allen Lebensrealitäten.
Die eigentliche Herausforderung liegt weniger in einzelnen KI-Tools als in der konsequenten organisatorischen Weiterentwicklung: vom Aufbau von Datenkompetenz über Governance- und Ethikleitplanken bis hin zur kulturellen Verankerung. Der GenAI-Change macht auch in der Assekuranz keinen Halt an Abteilungsgrenzen – er fordert eine Neuausrichtung des gesamten Unternehmens.
„Versichern heißt in Zukunft: Verstehen, Vorausdenken, Vertrauen schaffen. Die richtigen Daten sind dafür die absolute Grundvoraussetzung.“
Vertrauen als wichtigste Währung der Versicherungsbranche
Vertrauen bleibt auch im Datenzeitalter die entscheidende Währung der Assekuranz. Doch es entsteht heute anders: nicht mehr durch formale Prozesse oder Versprechen, sondern durch Transparenz, Fairness und eine Nähe zur Lebensrealität der Kund:innen.
Am Anfang dieses Wandels steht eine scheinbar simple, aber strategisch entscheidende Frage: Was weiß ich eigentlich über meine Kund:innen? Wer sie beantworten kann, hat nicht nur die Grundlage für neue Geschäftsmodelle geschaffen – sondern auch den Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Branche.
Von der Vision zur Umsetzung mit Comma Soft
Genau hier setzen wir an: Wir unterstützen Versicherer dabei, den Weg von der Ausgestaltung einer tragfähigen Vision bis hin zur skalierbaren Transformation zu gehen – strukturiert, pragmatisch und entlang des jeweiligen Reifegrads. Gemeinsam entwickeln wir ein klares Zielbild, schaffen Transparenz über vorhandene Datenpotenziale, heben Mehrwert durch konkrete Use Cases und führen diese in eine integrierte Daten- und KI-Architektur über. So verbinden wir strategische Klarheit mit operativer Umsetzbarkeit – und helfen, Kund:innen nicht nur abzusichern, sondern wirklich zu verstehen.
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