Sustainable Insurance: Wie gelingt Versicherern der Spagat zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit?

Versicherer befinden sich mitten in der digitalen Transformation. Gleichzeitig fordern Kund:innen, Markt und Gesetzgeber immer mehr Einsatz für Nachhaltigkeit. Hier erfahren Sie, wie die Umsetzung beider Bereiche durch eine Verzahnung von Digitalisierungs-, Daten- und ESG-Strategie gelingen kann.

EU-Taxonomie, Offenlegungsverordnung, CSRD … Durch die wachsende Zahl regulatorischer ESG-Vorgaben müssen sich Versicherer mit dem Thema Nachhaltigkeit verstärkt auseinandersetzen. „Aus unserer Projekterfahrung wissen wir, dass rund 90 % der Kapazitäten von Versicherern gebunden sind: durch das Erfüllen branchenspezifischer Regulatorik, durch die Ablösung von Legacy-Systemen und durch Digitalisierungsinitiativen. Mit den restlichen 10 % Themen wie ESG abzudecken, ist illusorisch. Das wäre ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Dr. Markus Knapptisch, Executive Manager und Versicherungsexperte bei Comma Soft, und ergänzt: „ESG, Regulatorik und Digitalisierung lassen sich nur erfolgreich umsetzen, wenn sie von Anfang an zusammen gedacht werden.“

Digital Insurance Podcast

Wie können Versicherer das Thema Nachhaltigkeit effektiv angehen? Darüber sprachen Dr. Markus Knappitsch und Dr. Michael von Papen mit Jonas Piela beim Digital Insurance Podcast.

Die komplette Folge können Sie sich hier anhören.

Zusammen mit Dr. Michael von Papen, Lead Consultant Digital Sustainability bei Comma Soft, begleitet Dr. Markus Knappitsch Versicherer auf ihrem Weg zum nachhaltigen, digitalen Unternehmen. „Die Versicherer haben bereits diverse Hebel, mit denen sie die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens verbessern können“, so Dr. Michael von Papen. Diese Hebel umfassen laut dem ESG-Experten zum einen interne Faktoren wie Fuhrpark, IT und Gebäudenutzung, mit denen sich die Scope 1- und Scope 2-Emissionen verringern lassen. Das sind Hebel, die jedes Unternehmen hat, und bei denen es sich fragen kann: Nutzen wir Büros oder sind die Mitarbeiter:innen vermehrt im Homeoffice? Wie steht es um unseren Papierverbrauch? Können wir eine smarte Gebäudesteuerung und nachhaltige Energienutzung umsetzen? Zum anderen gibt es aber auch externe Faktoren wie die Art der Kapitalanlage, die sich im Scope 3-Bereich wiederfindet. „Entscheidend ist, dass die erreichten Verbesserungen gemessen und kontrolliert werden. Und da kommt die Verzahnung der ESG-Strategie mit der Daten- und Digitalisierungsstrategie ins Spiel“, erläutert Dr. Michael von Papen.

ESG-Transparenz dank Datenlandkarte

Um ESG-Reportingpflichten zu erfüllen und vor allem die eigenen Nachhaltigkeitspotenziale zu identifizieren, empfiehlt Dr. Markus Knappitsch eine klare Datenstrategie: „Wenn wir bei Versicherern die digitale Transformation begleiten, dreht sich naturgemäß sehr viel um Daten. Sie sind die DNA der Versicherer und Grundlage für das Kerngeschäft. Allerdings fehlt oftmals der Überblick, wenn Daten in verschiedenen Abteilungen, Sparten und Systemen liegen. Ein Tool, um hier Transparenz zu schaffen, ist die Datenlandkarte.“ Mit diesem Visualisierungs-Tool werden Daten und Datenströme sichtbar, aber auch Datensilos und Flaschenhälse in Prozessen. Auf dieser Basis lässt sich dann eine Strategie für die effizientere Nutzung von Daten, die Einführung von KI-Lösungen und die Optimierung von Prozessen entwickeln. „Insbesondere ESG-Daten sind im Unternehmen häufig weit verstreut, weil sie Informationen aus vielen unterschiedlichen Bereichen betreffen. Hier kann die Datenlandkarte helfen, eine Übersicht zu bekommen, sodass sinnvolle KPIs erstellt werden können. Das ist die Grundlage für alle weiteren Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -berichte“, ergänzt Dr. Michael von Papen.

Blog

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Nachhaltige Versicherungsprodukte

Besteht Transparenz über die vorhandenen Daten, helfen diese auch bei der konkreten Umsetzung nachhaltiger Produkte. „Ob es um zu zeichnende Risiken im Underwriting geht, um die Einschätzung von Kapitalanlagen oder um Schadenprävention: Daten und KI helfen Versicherern beim Erstellen von Prognosen und dabei, strategische Entscheidungen datenbasiert zu treffen. Bisher liegt der Fokus oft darauf, dadurch Kosteneffizienz und Kundenzentriertheit zu steigern sowie regulatorische Risiken zu minimieren. Wenn ESG ein strategisches Ziel ist, kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit als ein weiteres Kriterium hinzu. So lassen sich Produkte entwickeln, die sowohl die unternehmenseigenen Nachhaltigkeitsziele unterstützen als auch die Wünsche der Kunden und Investoren nach nachhaltigen Produkten erfüllen“, sagt Dr. Markus Knappitsch.

ESG-Mindset in Köpfe und Prozesse bringen

Was braucht es noch, damit Nachhaltigkeit nicht nur ein Buzzword bleibt, sondern gelebte Praxis wird? Hier sieht Dr. Michael von Papen vor allem die Kultur im Unternehmen als entscheidend an: „ESG besteht aus drei Bereichen: Environment, Social und Governance. Nachhaltige Produkte und das Senken von Emissionen zielen häufig nur auf den Umweltaspekt ab. Es braucht aber auch interne Leitlinien – die Governance – und Menschen, die Nachhaltigkeit täglich leben. Nicht weil ihnen das jemand aus dem Management gesagt hat, sondern weil sie den Mehrwert selbst sehen und die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind.“ Der Change in den Köpfen passiert Dr. Michael von Papens Erfahrung nach vor allem, wenn Mitarbeiter:innen in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden: „Wenn beispielsweise die Inputstrecke intelligent automatisiert wird, reduziert das nicht nur den Papierverbrauch, es schafft auch eine spürbare Entlastung für die Mitarbeiter:innen. Wenn Aktuare KI-Assistenten nutzen, können sie nachhaltige Kapitalanlagen aber auch Risiken für die ESG-Ziele identifizieren, ohne dass dafür zusätzlicher Aufwand für sie entsteht.“

Neben der intrinsischen Motivation bedarf es zudem auch entsprechender Skills. So wie Mitarbeiter:innen durch Schulungen für die Digitalisierung fit gemacht werden, lassen sich auch Data Literacy und ESG Literacy erlernen. „Neben der Motivation und den Skills kommt es dann aber auch auf das Vertrauen in die Technik an“, führt Dr. Markus Knappitsch weiter aus. „Wie können die Mitarbeiter:innen und Kunden in IT, Daten und Künstliche Intelligenz Vertrauen fassen? Dieses Vertrauen wird meiner Erfahrung nach zum einen durch das Trainieren der entsprechenden Skills vertieft, weil so Sicherheit im Umgang damit entsteht. Zum anderen fördert Transparenz über die Neuerungen das Vertrauen. Diese Transparenz lässt sich wiederum durch Daten schaffen, die zeigen, was durch Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereits erreicht wurde.“

Was können Versicherer jetzt tun?

Für Versicherungsunternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit angehen, haben Dr. Markus Knappitsch und Dr. Michael von Papen folgende Tipps:

1. Start small, but start!

Versicherer sollten sich über ihr strategisches Ziel im Klaren sein und dann zeitnah kleine Initiativen umsetzen, die darauf einzahlen. Das bringt schneller und mit überschaubarem Budget Verbesserungen als eine lange Strategiephase, die dann mit einem Big Bang umgesetzt wird.

2. Gehen Sie Digitalisierung und Nachhaltigkeit synergetisch an

Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch, sondern gehen Hand in Hand, wenn sie mit einem integrativen Ansatz umgesetzt werden. Dieser Ansatz beginnt in der Strategiephase und zieht sich weiter durch die Umsetzung von Digitalisierungs- und ESG-Maßnahmen – wobei diese idealerweise gar keiner Unterscheidung mehr bedürfen.

3. Fördern Sie die Nachhaltigkeitskultur im Unternehmen

Eine offene Unternehmenskultur, die alle Mitarbeiter:innen einbezieht und Raum für deren Ideen schafft, führt eher zum Erfolg als Top-Down-Ansätze. Fördern lässt sie sich z. B. durch transparente Kommunikation, ESG-Literacy und gezielte Change & Adoption-Formate.

4. Denken Sie ESG in allen drei Dimensionen

ESG steht nicht nur für Emissionsminderung, sondern auch für Soziales und Governance. Wenn alle drei Aspekte mitgedacht und verzahnt werden, führt dies zu einer tieferen Verankerung im Unternehmen – und zu einer nachhaltig wirksamen Nachhaltigkeitsstrategie.

5. Verabschieden Sie sich von der Idee eines Nachhaltigkeitsprojekts

Nachhaltigkeit ist kein einmaliges Projekt, das innerhalb weniger Monate abgeschlossen wird. Vielmehr ist es ein fortlaufender Prozess, der im Idealfall in die DNA des Unternehmens übergeht. Umso wichtiger ist es, dass entsprechende Maßnahmen im operativen Alltag umsetzbar sind, siehe Punkt 1: Start small – and keep going!

Welche Gedanken und Fragen haben Sie zum Thema Nachhaltigkeit? Tauschen Sie sich dazu gerne direkt mit unseren Kolleg:innen aus: Hier können Sie Kontakt mit ihnen aufnehmen.