NextGen, NextKnowledge: Wie KI Erfahrungswissen transferiert
„Wissen ist Macht“, schrieb der englische Philosoph Francis Bacon schon 1597. Für Unternehmen ist es ein Gut, das über ihren Fortbestand entscheiden kann. Das wird schmerzlich spürbar, wenn Mitarbeiter:innen ausfallen oder das Unternehmen verlassen und ihr Erfahrungswissen plötzlich fehlt. Fachkräftemangel und demographischer Wandel verschärfen das Risiko zusätzlich, da es immer schwieriger wird, Nachfolger zu finden. Was können Unternehmen tun, damit wertvolles Wissen auch unabhängig von einzelnen Personen in Prozessen erhalten bleibt und dauerhaft nutzbar wird?
Ein Blick in den Kessel: Die Masse ist flüssig. Zu flüssig. Es liegt am Wetter. Erst 7:30 Uhr und schon fast 30 °C. So geht es schon die ganze erste Augustwoche. Zustände wie in den Tropen. Otto K. drückt einen der glänzenden Knöpfe im Schaltschrank der Spritzgussmaschine und gibt neue Zahlenwerte auf dem Display am Kessel ein. Der 61-Jährige kennt solche Hochsommerzeiten. In seinen 35 Jahren in der Produktion hat er alle Wetterlagen miterlebt. Als Kunststoff-Industriemeister weiß er, wie sich die Witterung auf das Material auswirkt und was er zu tun hat. Mal muss mehr Feuchtigkeit zugeführt, mal die Geschwindigkeit der Drehschnecke gedrosselt werden oder aber eine minimale Justierung an der Granulatzusammensetzung ist der Schlüssel. Ottos Chef schätzt diese Erfahrung – und blickt mit Sorge auf den Tag von Ottos Renteneintritt. Darum soll Otto jetzt Tobias sein Wissen weitergeben, der dann hoffentlich die nächsten 30 Jahre den Job übernimmt. Das Problem: Otto kann selbst gar nicht immer so genau sagen, woher er weiß, was zu tun ist. Er hat es eben im Blut. So etwas lässt sich anderen nicht einfach beibringen wie das kleine Einmaleins. Das muss der Junge irgendwann selbst im Gefühl haben. Sonst … Ja, was sonst?
Szenarien wie diese sind heute vor allem im produzierenden Mittelstand immer öfter anzutreffen. Ob in der Fertigung oder im Logistikbereich: Langjährige Mitarbeiter:innen steuern auf den Ruhestand zu, die Frage der Nachbesetzung steht im Raum. Was schon durch den akuten Fachkräftemangel keine leichte Aufgabe ist, wird bei Spezialwissen noch herausfordernder. Die Frage, die Unternehmen beschäftigt, ist: Wie lässt sich das Erfahrungswissen von Mitarbeiter:innen bewahren und so nutzbar machen, dass auch die nächste Generation damit arbeiten kann? Eine Lösung dafür würde nicht nur langfristig hinsichtlich des demographischen Wandels Entlastung bringen. Auch im Alltag, etwa bei krankheitsbedingten Ausfällen oder während Urlaubszeiten, könnte die Lücke geschlossen werden, die durch abwesende Expert:innen entsteht.
Erfahrungswissen mit Mitarbeiter:innen explizit machen
Natürlich könnten Unternehmen von ihren Mitarbeiter:innen verlangen, dass diese ihr Wissen dokumentieren. Das Beispiel von Otto K. zeigt aber, dass dies oftmals gar nicht so einfach möglich ist. Es spielen zu viele Faktoren in einen Prozess hinein, die sich teilweise gegenseitig bedingen. Somit lässt sich keine Anleitung nach dem Prinzip „Wenn A dann B“ erstellen. Dennoch gibt es eine Möglichkeit, das Wissen aus den Köpfen zu holen. „Alle Prozesse, Materialien und Produkte lassen sich durch Daten beschreiben und die mathematisch-statistische Korrelation der verschiedenen Faktoren abbilden“, so Dr. Andrej Fischer, Executive Manager bei Comma Soft. Während seiner Beratertätigkeit hat er bereits bei zahlreichen produzierenden Unternehmen genau dies – die Abbildung von Erfahrungswissen mit Daten – mit seinem Team umgesetzt. „Wir sammeln alle verfügbaren Daten und bringen sie mit Machine Learning-Modellen in Wirkung. So lassen sich beispielsweise Fertigungsverfahren und auch die vor- und nachgelagerten Prozesse mit Datenmodellen und Zeitreihen visualisieren.“ Es folgt die Überprüfung der digitalen, datenbasierten Rekonstruktion der Prozesse durch die menschlichen Wissensträger:innen: Erkennen die Expert:innen ihre eigenen Arbeitsschritte darin wieder? Stimmen die Abhängigkeiten? „Es ist wichtig, dass die Expertinnen und Experten ihre Einschätzung beisteuern, denn nur sie können all das prüfen und validieren. Zusammen nähern wir uns dann Schritt für Schritt der Erstellung einer Art digitalem Zwilling, der Maschinen und Prozesse virtuell abbildet.“
Mensch und Maschine bilden ein starkes Team
Was manche Mitarbeiter:innen beunruhigt, ist die Vorstellung, dass sie durch solche digitale Abbilder ihrer selbst komplett ersetzt werden könnten. Das ist allerdings nicht das Ziel, kann Dr. Andrej Fischer beruhigen: „Es geht nicht darum, Mensch durch Maschine abzulösen, sondern den Menschen einen Assistenten zur Seite zu stellen. So entsteht ein Team, das nicht nur viel leistungsfähiger ist, sondern auch eine große Entlastung für die beteiligten Personen bedeutet.“ So kann der virtuelle Assistent beispielsweise auch in Phasen von hohem Zeitdruck komplexe Prozesse überwachen und rund um die Uhr nahezu fehlerfrei Ergebnisse bereitstellen, etwa durch das Erkennen von Veränderungen in der Materialqualität. Auf Basis der Daten werden Prognosen und Entscheidungshilfen für Folgeschritte erstellt. „Am Ende ist immer noch der Mensch gefragt, wenn es darum geht, solche Entscheidungsvorlagen abzuwägen und umzusetzen“, sagt Dr. Andrej Fischer und ergänzt: „Denn auch wenn Algorithmen sehr schlau sind und sogar hinzulernen können, sind sie immer an das gebunden, was sie als Input erhalten. Und das kann natürlich bei unvorhergesehenen Ereignissen nicht mehr mit der Realität übereinstimmen. Ihnen fehlt zudem die Kreativität, die Fähigkeit, out-of-the-box zu denken. Das kann nur ein Mensch leisten.“ Genau für diese Kreativität, die zum Entwickeln neuer Lösungen und zur Prozessverbesserungen nötig ist, fehlt Mitarbeiter:innen aber oft die Zeit und der Freiraum. Komplexe, repetitive Aufgaben binden ihre Kapazitäten. Das dadurch oftmals hohe Stresslevel bremst kreatives Denken aus. „Genau hier schaffen Algorithmen Entlastung und nehmen Arbeit ab, die zwar sehr wichtig ist, aber keine Steigerung der Wertschöpfung beinhaltet und Zeit beansprucht, die dann für Innovationen oder zwischenmenschliche Kommunikation z. B. mit Kunden fehlt“, so Dr. Andrej Fischer.
Der richtige Zeitpunkt ist jetzt
Wann sollten Unternehmen idealerweise damit beginnen, das Erfahrungswissen von Mitarbeiter:innen mithilfe von Daten aufzubereiten und Prozesse durch virtuelle Assistenten zu unterstützen? Dr. Andrej Fischer hat dazu eine klare Empfehlung: „Unternehmen können nicht früh genug damit anfangen. Denn es gibt leider keine fertige Standardlösung, die schnell eingeführt werden kann und den Riss klebt, der entsteht, wenn z. B. eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Die Entwicklung von Machine Learning und KI-Systemen geschieht individuell, passend zu den jeweiligen Prozessen im Unternehmen und benötigt die Expertise derjenigen, die tagtäglich mit ihnen arbeiten.“ Hinzu kommt auch der Aspekt, dass ausreichend Daten vorhanden sein müssen. Sollte dies noch nicht der Fall sein, bedarf es auch dafür einer Lösung, die passend zum Unternehmen entwickelt und eingeführt werden muss. „All das braucht Zeit und Sorgfalt. Ist es umgesetzt, hebt es die Prozesse im Unternehmen auf eine ganz neue Stufe, unterstützt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eröffnet neue Möglichkeiten, Produkte, Services und Geschäftsmodelle weiter zu denken und zu gestalten“, fasst Dr. Andrej Fischer zusammen.
Stehen Sie auch vor der Frage, wie Sie das Erfahrungswissen Ihrer Mitarbeiter:innen sichern und nutzbar machen können? Dr. Andrej Fischer und sein Team beraten Sie gerne und finden zusammen mit Ihnen passende Lösungen, mit denen Sie Ihr Unternehmen zukunftsfähig aufstellen: Hier können Sie Kontakt mit ihnen aufnehmen.