„Was steckt hinter Chinas rasanter Entwicklung?“ – Expert-Talk mit Frank Sieren
„Vom Kopierladen über die Werkbank der Welt bis zur technologischen Innovationsführerschaft: Was steckt hinter Chinas rasanter Entwicklung?“ Zu dieser Fragestellung gab Frank Sieren bei den Petersberger Gesprächen 2023 Antworten aus seiner herausragenden Expertise als China-Kenner und kam ins Gespräch mit Moderator & Publikum.
Schon in der Einleitung durch Prof. Heinz-Otto Peitgen wurde in gewissem Sinne die inhaltliche Stoßrichtung des Gesprächs mit dem China-Kenner, Journalisten und Buchautoren Frank Sieren gesetzt. Der Interviewpartner bezog sich auf ein Zitat, auf das er in einem seiner Bücher über China gestoßen ist: „Wenn man keinen Realismus hat, hat man keine gute Strategie.“
Auch wenn es sehr wichtig ist die eigenen Werte hochzuhalten, so sei laut Sieren der Gegensatz „Werte oder Wirtschaft“ eine falsche Alternative, „die mit der Realität nichts mehr zu tun hat.“ Seine Hauptthese: „Nur wenn wir wirtschaftlich stark sind, sitzen wir überhaupt noch am Tisch“ – über dessen Besetzung im Gegensatz zu früheren Zeiten wir längst nicht mehr entscheiden.
Prof. Peitgen stellte die Hauptfrage:„Wie kommt es dazu, dass ein Land, das sich ideologisch selbst gefangen hat, dann in wenigen Jahrzehnten zum Innovationszentrum der Welt wird… und was ist das für ein innerer Wandel, welche Qualifikationen hat man dafür gebraucht, was sagt das über die Eliten aus, die heute in China regieren?“ Faktoren, die hier eine große Rolle spielen sind etwa die Motivation, wieder an die Weltspitze zu gelangen und die idealen Rahmenbedingungen für top-ausgebildete Rückkehrer aus den USA. Hinzu kommt die permanente Unterschätzung und Geringschätzung Chinas als bloße Werkbank des Westens.
Eines der zentralen Erfolgsrezepte sei jedoch eine planvolle und langfristige Wirtschaftspolitik. So stellt die Regierung Cluster bei Technologien auf, auf die sich das Land konzentrieren und in denen es führend sein will, wie z.B. KI, Drohnentechnologie oder Elektromobilität. Die Teilnehmer dieser Cluster, meist Start-ups, werden mit allen notwendigen Ressourcen versorgt. „Dann lassen sie diese Cluster aber in Ruhe, und diese müssen dann im Wettbewerb schauen, was sie zustande bringen.“
Wichtig wäre es, China in seiner ganzen Ambivalenz zu begreifen. Daher die Empfehlung: „Was wir jetzt machen müssen in einer multipolaren Weltordnung, wo mehr Mitbestimmung herrscht – wir müssen den Perspektivwechsel üben. Das heißt, wir müssen lernen, warum und wie Menschen in diesen Ländern – das gilt nicht nur in Bezug auf China – warum sie so ticken, wie sie ticken, wie sie die Welt sehen, welche Schwerpunkte sie haben.“
Zum Abschluss der anschließenden Podiumsdiskussion appelliert Sieren an den Westen, sein Verhalten gegenüber China und auch gegenüber anderen asiatischen und afrikanischen Staaten zu überdenken: „Diese Länder sagen: Kommt nicht mit euren Problemen in unsere Länder. Kommt mit Lösungen für unsere Probleme in unsere Länder. Und wenn wir das nicht verstehen, werden wir einfach nicht mehr mitspielen. Wir sind eh schon in der Minderheit, und unser Einfluss wird jeden Tag schwächer.“
Der Journalist und Autor Frank Sieren gilt als „einer der führenden deutschen China-Spezialisten“ (Die ZEIT). Er lebt seit fast 30 Jahren in Peking. Sieren gilt zudem als derjenige in Deutschland, der die meisten Chinabücher geschrieben und die meisten China-Bestseller lanciert hat. In Podcasts erreicht der Chinaspezialist bis zu 1,6 Millionen Zuhörer und hat die größte China-Gruppe im deutschen LinkedIn. Als China-Korrespondent hat Frank Sieren für Medien wie die Süddeutsche Zeitung, das Handelsblatt, Die Zeit, n-TV und die WirtschaftsWoche gearbeitet. Sieren gilt als einer der ganz wenigen in Deutschland, die den Aufstieg Chinas realistisch evaluiert und früh davor gewarnt haben, das Land nicht zu unterschätzen. Der 2014 verstorbene Publizist Peter Scholl-Latour hat über ihn gesagt: „Sieren ist einer, der auch nach mir unbeirrt die Welt erklärt.“ Und selbst Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat Sieren auf die ihm eigene Art gelobt: „Seine Bücher sollte man gelesen haben.“
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