5 digitale Hebel für mehr Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind zwei der wesentlichen Treiber unserer Zeit. Allerdings stellen sie Unternehmen bei der Umsetzung immer wieder vor Herausforderungen. Wie sich beide Konzepte gemeinsam denken lassen und in welchen Bereichen sich besondere Synergien ergeben, zeigen wir hier anhand von fünf Beispielen, die auf neuesten Studienergebnissen basieren.
Die Bundesregierung hat sich im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zum Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65 % zu senken und bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Damit dies Realität werden kann, sollen Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden: Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSDR) der EU verlangen umfangreiche ESG-Reportings und Ausgleichsmaßnahmen. Unternehmen in Deutschland, von denen viele gerade mitten in der Digitalisierung stecken, stellt das vor eine weitere Herausforderung: Wie können zusätzlich zu den momentanen Investitionen in KI, Cloud-first und IT-Security auch noch Nachhaltigkeitstransformationen bewältigt werden?
Tatsächlich lassen sich beide Themenkomplexe gemeinsam denken und verzahnen. Zum einen lässt sich Digitalisierung selbst nachhaltig gestalten. Das umfasst z. B. technische Lösungen, die so konzipiert sind, dass sie sich flexibel an neue Anforderungen anpassen und modernisieren lassen und damit langlebig sind. Auch die organisatorischen Maßnahmen bei der Einführung spielen dabei eine Rolle: Werden Anwender:innen durch geeignete Change-Konzepte mitgenommen, steigt die Akzeptanz und die Motivation zur Verbesserung von Digitalisierungsmaßnahmen, wo ansonsten Neuerungen eventuell abgelehnt und eingestellt werden müssen. Zum anderen kann Digitalisierung auch direkt zur Nachhaltigkeit beitragen. Wie das funktioniert, möchten wir hier anhand von fünf Beispielen aufzeigen, deren Einsparpotenziale auf Ergebnissen der Bitkomstudie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ basieren.
1. Industrielle Fertigung
Fast 30 % der weltweiten CO2-Emissionen haben ihren Ursprung in der Industrie, wobei die Energienutzung mit 24 % den größten Teil davon einnimmt. Hier zeigt sich, wie viel Potenzial in der Effizienzsteigerung von industriellen Prozessen liegt. Eine solche Effizienzsteigerung lässt sich dabei u. a. durch zwei Ansätze erreichen:
- Durch eine intelligente Automatisierung
- Durch eine effektive Nutzung von digitalen Zwillingen
Die Studie der Bitkom legt nahe, dass beide Ansätze ein Einsparpotenzial von jeweils über 30 Mt CO2 besitzen. Durch Automatisierung und Optimierung von Produktionsprozessen lässt sich der Verbrauch von Primärenergie um 5–8 % senken. Beispiele für eine intelligente Automatisierung sind die Optimierung von Produktionsprozessen mit KI-basierten Ansätzen und eine adaptive Auftrags- und Materialplanung, durch die jeweils Ressourcen und Energie eingespart werden.
Digitale Zwillinge von physischen Produkten sparen durch Simulation und Experimente im digitalen Raum ebenfalls 5–8 % CO2 ein. Eine etablierte Anwendung ist hier die ingenieurstechnische Optimierung von Strömungsverhalten und Aerodynamik. Aber auch Prozesse und Abläufe auf dem Shopfloor können heutzutage damit modelliert werden, um optimale Ergebnisse zu erreichen.
2. Mobilität
In Deutschland entfielen laut Bundesregierung im Jahre 2020 etwa 146 Mio. Tonnen CO2 auf den Verkehrssektor. Diese Menge soll bis 2030 auf 85 Mio. Tonnen CO2 sinken. Wichtige Ansätze dafür sind die Optimierung der Verkehrsnutzung und eine intelligente Logistik, die laut Studie ein Einsparpotenzial von 13 Mt bzw. 8 Mt haben.
Eine Optimierung lässt sich hier sowohl durch eine effiziente Streckenführung erreichen als auch durch eine effizientere Nutzung von Verkehrsmitteln. Wie das für den ÖPNV funktionieren kann, zeigt u. a. die Stadt Oslo, wo mittlerweile 44 % der Fahrten im ÖPNV stattfinden. Erreicht wurde dies mit einer konsequenten Digitalisierung: vom Kauf des Tickets über kostenfreies WLAN bis hin zu Echtzeitinformationen über die Verkehrsmittel. Andere Ansätze sind Mobility-Sharing-Dienste, die den Umstieg auf emissionsarme Verkehrsmittel erleichtern.
Die Digitalisierung der Logistikbranche ermöglicht laut Bitkom-Studie ein Einsparpotenzial von 10–16 %. Insbesondere die Optimierung von Frachtrouten und Warenströmen sowie die automatisierte Zuteilung von Sendungen und Fahrer:innen auf Basis der Standortnähe können die Auslastung der Lieferfahrzeuge erhöhen.
3. Energie
Die Energiewirtschaft steht zur Zeit vor einer Transformation hin zu erneuerbaren Energien. Dies beinhaltet aber nicht nur eine neue Art der Energiegewinnung, sondern auch eine Dezentralisierung der Energie. Für die Energienetze ist das eine Herausforderung, da der Strom von vielen kleinen Erzeugern nun intelligent orchestriert werden muss. Smart Grids können hier bis zu 17 Mt CO2 einsparen, während durch Effizienzsteigerungen bei der Produktion erneuerbarer Energien noch einmal 7 Mt möglich sind.
Smart Grids reagieren auf das Verhalten der Nutzer:innen und auf schwankende Produktionsmengen von erneuerbaren Energiequellen. Dies kann beispielsweise durch KI-basierte Prognosen passieren, die Echtzeitdaten auswerten und zukünftige Netzzustände vorhersagen. Allein dadurch können Stromverluste um 20–30 % verringert werden. Eine automatisierte Steuerung durch intelligente Schalt- und Messtechnik kann zudem die Einspeisekapazität für erneuerbare Energien um bis zu 17 % erhöhen.
Zur Effizienzsteigerung erneuerbarer Energien eignet sich – ganz klassisch – ein Predictive Maintenance-Ansatz. Hierbei überwachen Sensoren den Zustand einer Anlage und sagen Ausfälle, Auslastung und Schäden voraus. So lassen sich Ersatzteile rechtzeitig bestellen und Wartungen optimal planen, was insgesamt eine Produktivitätssteigerung um bis zu 6 % ermöglicht.
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4. Gebäude
Die Energienutzung im Gebäudesektor ist laut Our World in Data für 17,5 % der weltweiten Treibhausgase verantwortlich und damit nach der Industrie der zweitgrößte Emittent. Mit intelligenter Digitalisierung schlummert auch hier enormes Einsparpotenzial, laut Bitkom-Studie bspw. 14 Mt alleine durch Smart Homes und noch einmal 7 Mt durch vernetzte Gebäude.
Die meiste Energie wird in Gebäuden zur Wärmeerzeugung genutzt. Hier können smarte Thermostate zu einer deutlichen Reduktion von etwa 10 % des Energieverbrauchs führen. Auch andere Verbraucher, wie bspw. die Beleuchtung, können intelligent auf Auslastung und Nutzungsmuster abgestimmt werden.
Weitere Einsparpotenziale ergeben sich durch die konsequente Nutzung von Energiemanagementsystemen zur Überwachung, Erkennung und Diagnose. Das fängt mit intelligenten Zählern (Smart Meter) an und reicht bis zur automatisierten Gebäudesteuerung. Dadurch lassen sich bei schneller Digitalisierung noch einmal bis zu 7 Mt CO2 einsparen.
5. Arbeit & Business
In Deutschland pendeln jeden Tag etwa 13 Millionen Menschen zur Arbeit – zwei Drittel davon mit dem Auto. 22 % der verkehrsbedingten Emissionen gehen auf das Berufspendeln zurück, wie die Initiative Agora in ihrer aktuellen Studie feststellt. Dementsprechend ließe sich durch mobiles Arbeiten eine Menge dieser Emissionen einsparen, nämlich 11 Mt CO2.
Wichtig ist hierbei allerdings, dass auch die IT-Sicherheit gewährleistet bleibt. Sind alle wichtigen Ressourcen in der Cloud verfügbar, ist eine effektive und zugleich sichere Zusammenarbeit im Digital Workplace möglich. Emissionen eigener Server entfallen und virtuelle Meetings sparen einige Verkehrswege zu Geschäftspartnern. Insgesamt beläuft sich die Ersparnis so auf umgerechnet bis zu 20 Mio. Liter Benzin.
Die Grundlage für all diese Einsparpotenziale: Transparenz
Die Basis für digitale Nachhaltigkeit bildet in allen Bereichen die Datentransparenz. Nur, wenn Emissionsquellen bekannt, Hebel identifiziert und Prozesse nachvollziehbar sind, können die Einsparpotenziale in den oben genannten Bereichen vollends ausgeschöpft werden. Dies gestaltet sich häufig besonders schwierig, da die meisten Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen stammen (Scope 3). Insbesondere die Lieferkette und das End-of-Life von Produkten sind hier ins Auge zu fassen. Eine solche Betrachtung führt dann häufig in Richtung einer Circular Economy, die viele weitere Potenziale zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen birgt.
Welche Hebel für ein Unternehmen am relevantesten sind, ist sehr individuell. Wir unterstützen Sie gerne dabei, sie auf Grundlage einer datenbasierten Einschätzung zu identifizieren und geeignete Lösungen zur Dokumentation und Reduktion von Emissionen umzusetzen. Tauschen Sie sich dazu gerne mit unserem ESG Consultant Dr. Michael von Papen aus. Hier können Sie Kontakt mit ihm aufnehmen.